Wie stellt sich ein Milchverarbeiter auf, der für den grössten Teil der Milchmenge eines ganzen Landes steht? Was sind die Herausforderungen in der Vermarktung von Trinkmilch, Joghurt, Käse und Co.? Und was bedeutet «made in Liechtenstein» für den Milchhof? Diesen und weiteren Fragen stellt sich Geschäftsführer Norbert Pustlauk im exklusiven Interview. Der Leser erfährt dabei viele Neuigkeiten und Überraschendes.
Herr Pustlauk, bitte beschreiben Sie den Lesern, was für ein Unternehmen der Milchhof ist.
NORBERT PUSTLAUK: Gerne, der Milchhof wurde 1974 gegründet mit dem Ziel, die Milch der Bauern des Liechtensteiner Milchverbandes (LMV) zu verarbeiten und die Milchwirtschaft langfristig abzusichern. Seit 2009 ist der Milchhof als AG aus dem genossenschaftlichen Verbund herausgelöst worden, um eine grössere unternehmerische Flexibilität zu erreichen. Das Aktienkapital gehört weiterhin zu 100 Prozent den Milchbauern im Land.
Also ist der Milchhof ein sehr grosser Industriebetrieb?
Nein, ganz und gar nicht. Zwar stehen wir für die Verarbeitung des grössten Teils der Milchmenge, die in Liechtenstein produziert wird. Aber im Vergleich zu den Milchverarbeitern in der Schweiz sind wir ein kleiner Player. Bei uns in Schaan sind 23 Mitarbeiter angestellt. Beim grössten Molkereiunternehmen der Schweiz sind es über 2700 an 13Standorten.
Was zeichnet den Milchhof denn aus?
Wir haben den grossen Vorteil, dass wir aufgrund unserer Struktur sehr flexibel sind. Unser Sortiment reicht von Trinkmilch, Quark- und Joghurtprodukten bis hin zu Halbhart- und Hartkäse verschiedener Sorten. Das gibt uns die Möglichkeit, uns auf verschiedenen Geschäftsfeldern zu bewegen.
Was verstehen Sie darunter?
Zum einen die Produktion und den Vertrieb der Produkte unter unseren eigenen Marken und die Zusammenarbeit mit dem Detailhandel in der Schweiz, für den wir als Dienstleister Molkereiprodukte unter seinen Handelsmarken herstellen. Den Käse sehen wir als eigenes Geschäftsfeld an, weil wir damit die Möglichkeit haben, unter eigener Marke «Liechtensteiner fürstlich gut» auch im Ausland – vornehmlich Deutschland – unseren Käse anzubieten. Als viertes Standbein stellen wir auch noch Produkte für die Lebensmittelindustrie her, die dort weiterverarbeitet werden.
Wo haben Sie die grössten Entwicklungspotenziale?
Ganz klar im Bereich Käse und bei den eigenen Marken.
Unter welchen Marken bieten Sie Ihre Produkte an?
Unsere konventionellen Produkte aus der Molkerei, also Trinkmilch, Quark und Jogurt, bieten wir unter dem Namen «Liechtensteiner» an. Der Käse erhält noch den Zusatz «fürstlich gut», weil wir darunter eine extrem gute Wahrnehmung im Ausland erhalten. Ausserdem können wir aufgrund der hohen Qualität und des einzigartigen Geschmacks mit «fürstlich gut» den Premium-Anspruch unserer Käsesorten untermauern. Unsere Bioprodukte laufen unter der Marke «Berta’s Bio», die wir im September 2020 auf den Markt gebracht haben.
Sie haben für die Entwicklung von «Berta’s Bio» einen sehr grossen Aufwand betrieben. Werden Sie in Zukunft verstärkt auf Bio setzen?
Von der neuen Marke versprechen wir uns in der Tat sehr viel für die Zukunft. Liechtenstein ist Bio-Weltmeister, gemessen am Bioanteil an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion. Und bei uns macht die Biomilch schon fast 40 Prozent aus. Dafür brauchen wir ein eigenes Konzept, damit wir den Bioprodukten eine deutlichere Wahrnehmung verleihen können. 40 Prozent Bio heisst aber auch 60 Prozent konventionell. Es wäre falsch, nur noch eine Biostrategie zu verfolgen.
Wie wollen Sie den Absatz der konventionellen Produkte voranbringen?
Da haben wir ein wahres Feuerwerk in Vorbereitung. Unsere Marke «Liechtensteiner» erhält in diesem Sommer Zuwachs von mehr als 10 neuen Artikeln. Im Juni haben wir den Klassiker «Milchdrink» mit 2,5 % in der 1-Liter-Packung wieder herausgebracht. Ende Juli kommen vier leckere neue Jogurtsorten im 180-Gramm-Becher dazu. Ausserdem wird es noch in diesem Sommer ganz neu 3 verschiedene Sorten Quark geben und für die feine Küche noch ein «Liechtensteiner» Creme fraiche und einen Sauren Halbrahm.
Gibt es auch neue Käsesorten?
Das hätte ich fast vergessen: Wir haben eine neue Käsesorte entwickelt, den «Liechtensteiner Kurkuma-Käse».
Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Das ist eine Kombination aus mildem Käse, ca. 3 Monate gereift, den wir mit einer würzigen Mischung aus Kurkuma und Pfeffer ummantelt haben. Der Rand muss ausdrücklich mitgegessen werden, das ergibt eine echte Geschmacksexplosion. Ab Juli wird es diese Spezialität auch hier im Land im Stück zu 200 Gramm geben.
Da verdienen Agenturen sicher viel Geld für die Produktentwicklung, oder?
Nein, überhaupt nicht. Hier zeigen sich weitere Vorteile vom Milchhof: Wir sind klein und wir sind unabhängig. Kein Konzern schreibt uns vor, was wir zu tun und zu lassen haben. So haben wir alle Ideen für neue Produkte hier im Haus mit unseren Mitarbeitern entwickelt. Da sitzen alle mit am Tisch, egal ob aus Produktion, Logistik, Verwaltung oder Vertrieb. Alle neuen Artikel werden von uns selbst getestet. Was bei unseren Mitarbeitern nicht ankommt, wird auch nicht auf den Markt gebracht.
Und die Berta? Kommt die da noch mit?
Aber ja, auch «Berta’s Bio» bekommt in diesem Sommer Zuwachs. Die leckeren Joghurts werden auch im 180-Gramm-Becher erhältlich sein. Ausserdem haben wir schon im Mai «Berta’s Bio-Lieblingskäse» in der 200-Gramm-Portion auf den Markt gebracht. Und den Raclette-Käse in Scheiben wird es wieder ab September geben.
Da haben Sie sich ja etwas vorgenommen. Wo wird es die Produkte zu kaufen geben?
Natürlich zuallererst hier in Liechtenstein. Wir wollen den Milchkreislauf von Produktion, Verarbeitung und Verkauf hier im Land richtig ins Laufen bringen.
Was ist mit den angrenzenden Gebieten?
Mit der Marke «Liechtensteiner» sind wir räumlich schon fokussiert auf das Land und die gegenüberliegende Rheintalseite. «Berta’s Bio» hat durchaus das Potenzial, auch den Weg in den Schweizer Detailhandel zu finden. Erste Artikel sind schon angefragt und auch gelistet.
Was wollen Sie mit den alten und neuen Produkten der eigenen Marken erreichen?
Unsere Ziele sind sehr ehrgeizig. Langfristig werden wir mehr als die Hälfte unseres Umsatzes mit eigenen Marken erreichen. Unsere Vision ist, in jedem Liechtensteiner Kühlschrank unsere Produkte zu finden. Nur wenn wir es wagen, solche Visionen zu äussern, werden sie auch zu Zielen, die wir erreichen können. Das ist ein fester Bestandteil unserer Strategie «Milchhof 2030».
Ist Liechtenstein für solche Umsatzziele nicht viel zu klein?
Dazu kann ich Ihnen folgende Rechnung aufmachen: Wenn Sie den Pro-Kopf-Umsatz der Schweizer Bevölkerung zugrunde legen, was pro Jahr an Trinkmilch, Quark, Joghurt und Käseprodukten konsumiert wird und diese Werte mit der Einwohnerzahl Liechtensteins multiplizieren, kommen Sie fast genau auf die Milchmenge, die im ganzen Land produziert wird. Wenn wir davon einen Grossteil für unsere Milchbauern verarbeiten, ist der Gedanke einer Vollversorgung nicht abwegig. Das ist im Übrigen auch in den Statuten der Milchhof AG verankert: Die Bevölkerung Liechtensteins in einem grösstmöglichen Mass mit Milch- und Käseprodukten zu versorgen.
Das klingt wahrscheinlich einfacher, als es ist, oder?
Ja, das stimmt. Unser Auftrag ist, die Bevölkerung mit einem attraktiven und qualitativ hochwertigen Sortiment «made in Liechtenstein» zu begeistern. Dazu kommt, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Vertriebswege nutzen, damit unsere Produkte auch überall und einfach erhältlich sind.
Sind sie das denn noch nicht?
Wir haben noch einiges zu tun. Viele Felder sind noch nicht bearbeitet, sei es die Direktvermarktung, der Onlinehandel und der Aufbau von neuen Vertriebskooperationen. Gute Beispiele sind hier der Hofladen-Express oder hofkorb.li. Dazu kommt auch noch eine ganz wichtige Kundengruppe, in der wir bisher noch nicht breit vertreten sind. Wenn ich oben davon gesprochen habe, dass wir in jedem Liechtensteiner Kühlschrank vertreten sein wollen, dann gilt das nicht nur für die Haushalte, sondern auch für das Ausser-Haus Geschäft. Also Hotels, Restaurants, Caterer, Kantinen.
Wie wollen Sie die Gastronomie für sich gewinnen?
Die Gastronomen benötigen hochwertige Produkte in speziellen Grössen. Darüber haben wir uns viele Gedanken gemacht und mit einigen Gastronomen gesprochen, wie wir das mit unseren Artikeln bestmöglich darstellen können. Herausgekommen ist eine spezielle Gastronomie-Marke, die wir «vom Milchhof» genannt haben. Das ist eine Linie mit hohem Wiedererkennungswert und ganz schlichten Verpackungen. Wir haben unsere Energie in die Entwicklung dieser Qualitätsprodukte und nicht ins Design der Verpackung gesteckt. Gestartet sind wir mit vier Artikeln im Frühjahr. Jetzt kommen ständig neue Artikel dazu, die wir auch auf Anregung von Gastronomen aufnehmen.
Wo können die Gastronomen die «vom Milchhof»-Artikel beziehen?
Sowohl auf direktem Wege durch unsere Belieferung als auch über den Gastronomie-Grosshandel. Informationen geben wir auch sehr gerne persönlich, telefonisch oder per Mail.
Sie sprechen oben von Direktvermarktung. Was stellen Sie sich darunter vor?
Das ist die direkte Ansprache von Verbrauchern, sei es durch Verkostungen oder Musterverteilungen oder Präsenz auf Märkten mit einem eigenen Stand. In Eschen sind wir in diesem Jahr zum Beispiel auf allen sechs Bauernmärkten vertreten. Die vielen Gespräche, die wir dort mit den Besuchern über den Milchhof führen, zeigen uns nicht nur, wie wichtig es ist, dass der Milchhof ein Gesicht bekommt und persönlich wahrgenommen wird. Es bereitet uns auch viel Freude zu sehen, wie gross das Interesse der Bevölkerung an einheimischen Produkten ist.
Aber Sie sind doch kein Bauer, warum sind Sie dann auf dem Bauernmarkt vertreten?
Der Milchhof gehört den Milchbauern im Land. Wir haben den Auftrag, die Milch zu verarbeiten und die Milchprodukte zu verkaufen. Somit sind wir die Direktvermarkter unserer Bauern, deren Höfe über das ganze Land verstreut sind. Jeder Einwohner Liechtensteins hat einen Milchbauern in der Nähe. Unser Slogan «Guats vom Nachbuur» ist Programm. Deshalb gehören wir auch auf einen Bauernmarkt.
Zum Schluss noch die Frage nach Ihrem persönlichen Lieblingsprodukt, das dürfte Ihnen nicht leichtfallen, bei so einem breiten Sortiment?
Bisher habe ich immer gerne zum «Berta’s Bio Quark mit Joghurt verfeinert» gegriffen. Hier hat es mir die Sorte Apfel-Birne besonders angetan. Die Mitarbeiter haben mir immer vom guten alten «Vanille Jogurt» vorgeschwärmt. Bis wir den als Muster in die Verkostung genommen haben für neue Produkte. Da fiel die Entscheidung leicht, den «Vanille Jogurt» unter der Marke «Liechtensteiner» wieder ins Sortiment zu nehmen. Ich kann es kaum erwarten, bis der endlich auf den Markt kommt.
Norbert Pustlauk,
Geschäftsführer Milchhof AG
Scanastrasse 12, 9494 Schaan
Tel. +423 237 04 04
info@milchhof.li
www.milchhof.li
www.bertas.bio
www.kaese.li